Einander die Schuld erlassen

Am vergangenen Montag hatten wir unsere rechte Mühe mit einem Textabschnitt aus dem Lukas – Evangelium. Da heißt es ganz eindeutig und klar ausgedrückt: Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden (Lk 6,38).

Es war förmlich zu greifen, dass sich da Einiges in uns sofort aufbäumte! Im Vater Unser sprechen wir jeden Sonntag als Bitte aus, was Jesus hier von uns fordert. Warum wird es uns so schwer damit? Uns war ja allen bewusst, dass es beim Vergeben nicht um Kleinigkeiten geht, um Dinge, die einen im Grund ja nicht wirklich berührt haben, sondern um Schmerzen, um Leid, um Spott, Verachtung, Erniedrigung. Dort, wo ich Opfer geworden bin, wo meine Würde verletzt wurde, wo es richtig schmerzt und mich vielleicht aus der Bahn wirft – dort soll ich Schuld vergeben? Was verlangst du da von mir , Christus?

Bemerkenswert finde ich im Blick auf das „Verzeihen des Unverzeihlichen“ die Erfahrung einer Jüdin, Eva Mozes Kor, die als Kind gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester von dem SS – Arzt Joseph Mengele zu Menschenversuchen herangezogen wurde. Sie war zum Opfer und im Blick auf ihre tote Schwester zum Doppelopfer geworden. Bei einem Treffen mit einem anderen SS – Arzt bat dieser sie um Verzeihung und sie erkannte dabei plötzlich die Möglichkeit, aus ihrer Zerstörung, ihrem Dasein als Opfer, herauszutreten. Es wurde für sie ein Weg des Freiwerdens für Opfer und Henker. Das ist die eine, wichtige Seite der Schuldvergebung.

Eine zweite Tatsache bleibt in unserer Zeit genauso oft unbeachtet. Es ist die Weigerung zuzugeben, dass wir selbst immer auch Schuld auf uns geladen haben. Die Tendenz, die eigene Schuld als harmlos abzutun und die Schuld anderer durch ein Vergrößerungsglas zu betrachten, war auch schon zur Zeit Jesu da. Denken wir an sein Gleichnis vom Splitter im Auge des anderen und dem Balken im eigenen Auge.

Schuld vergeben bedeutet nicht sie schön zu reden. Es ist ein Willensentschluss, der einen Heilungsprozess in Gang setzt und befreit – den Schuldigen und genauso mich selbst. Dort, wo ich anderen ihre Schuld vergebe, kann auch Gott mir meine Schuld vergeben und die Gnade der Befreiung in mir bewirken. Nützen wir diese wunderbare Chance im Sakrament der Versöhnung.